Die Erdteile sind ein Thema, das die Bildkünste in Europa von der römischen Antike bis zum Ende des Barock aufgreifen. Eine vierteilige Vortragsreihe führt in die vielfältigen Darstellungen ein.
1) Die Entdeckung der Welt
Seit der Antike ist die Einteilung der Erde in Kontinente üblich und wird von Historikern und Geographen vorausgesetzt. Mit diesem Weltbild formt sich die bildliche Darstellung der Erdteile und gewinnt in der Zeit der römischen Expansion ihre Prägung. Im Mittelalter bleibt das Weltbild der in drei Kontinente geteilten Erde erhalten. Der dreigeteilte Globus wird zum Symbol der Schöpfung Gottes oder der Macht Christi. Die im Laufe des 16. Jahrhunderts erfolgte Erkenntnis, dass es sich bei der Entdeckung Amerikas nicht um einige unbekannte Inseln, sondern um einen ganzen unbekannten Kontinent handelte, schärfte das Bewusstsein der Europäer für die Existenz der übrigen Erdteile. Als Folge der Entdeckung Amerikas ist die Zahl der bekannten Kontinente nun auf vier gestiegen, wodurch sie in die Norm profaner Themen passten. Die Zahl vier war gewissermaßen kanonisch für den irdischen Bereich: vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten - vier Kontinente.
2) Europa, die Herrscherin der Welt
Wie im Rom Hadrians so ist im europäischen Barock und Rokoko die Darstellung der Weltmacht der vorrangige Sinn der Erdteilallegorien. Die neuzeitlichen Erdteilallegorien bilden vom 16. bis zum späten 18. Jahrhundert eines der bedeutendsten Themen der abendländischen Kunst. Unter den Erdteilen nimmt Europa traditionell die Vorrangstellung für sich ein und erscheint als Herrscherin. Sie kommt der Repräsentation des Kontinents näher als die dem Mythos nach von Zeus in Gestalt eines Stieres entführte phönikische Königstochter, die dem Erdteil den Namen gab.
3) Die unbekannten Nachbarn – Asien und Afrika
Wie die Römer im Mittelmeerraum, so erschienen die Europäer während der Expansion auf dem ganzen Erdkreis als Eroberer. Diese Siegerhaltung prägt die meisten Erdteilallegorien. Nur in einigen Gebieten Asiens fanden die Europäer eine Kultur vor, die der eigenen vergleichbar, wenn nicht überlegen war. Doch wurde hier das europäische Primat in der einzig wahren Religion begründet, die sie von den islamischen Kulturen abhob. Afrika und Amerika hingegen waren als Gebiete der Wilden angesehen, die es zu zivilisieren galt.
4) Amerika – die Neue Welt
Die sensationelle „Entdeckung“ des Columbus bewirkte die Kolonialisierung der Neuen Welt. Anders als für die Darstellung der übrigen Kontinente, gab es für die Amerikas keine Vorbilder und keine Tradition. Die begeisterten Schilderungen Columbus' und Vespuccis über die Schönheit des Landes und die Üppigkeit der Vegetation wurden schnell über ganz Europa verbreitet und stellen die wesentliche Quelle für das Bild Amerikas dar. Die Darstellungen der Menschen folgen Vorstellungen vom "edlen Wilden", der frei von jeglicher Zivilisation ein reines und gerechtes Leben im Einklang mit der Natur führt. Viele Tierarten, besonders die amerikanischen Papageien, wurden in Menagerien gehalten, andere waren ausgestopft in Kunstkammern zu besichtigen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde somit ein umfassendes exotisches Vokabular erstellt, das in diversen Quellen den Künstlern zur Verfügung stand. Mit der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten erlischt die Vorherrschaft Europas in der Welt und das Thema verliert seine Bedeutung in der europäischen Kunst.